UnivIS
Informationssystem der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg © Config eG 
FAU Logo
  Sammlung/Stundenplan    Modulbelegung Home  |  Rechtliches  |  Kontakt  |  Hilfe    
Suche:      Semester:   
 Lehr-
veranstaltungen
   Personen/
Einrichtungen
   Räume   Forschungs-
bericht
   Publi-
kationen
   Internat.
Kontakte
   Examens-
arbeiten
   Telefon &
E-Mail
 
 
 Darstellung
 
Druckansicht

 
 
Einrichtungen >> Forschungseinrichtungen >> Graduiertenkollegs >> Graduiertenkolleg 516 Kulturtransfer im Europäischen Mittelalter >>
Regionale Differenzierung und interregionaler Transfer in der Musikkultur des europäischen Mittelalters (Berichtszeitraum: 1.4.1999 - 31.12.2001)

Die europäische Musikkultur ist durch eine Transferleistung unerhörten Ausmaßes begründet worden: Die Einführung des römischen liturgischen Gesangs (der 'cantilena romana', des sogenannten 'Gregorianischen Gesangs') in das Frankenreich während der Karolingerzeit und dessen normative Verbreitung über ganz Europa mit der Folge neuer Zentrierungen und Orientierungen. Seitdem ist das musikalische 'cultural system' Europas geprägt durch Idee und Ideal überregionaler Einheit, zugleich aber auch durch die Erfahrung und das Bewußtsein regionaler Unterschiede.
Dabei ist der interregionale Kulturtransfer nicht lediglich als Ausgleich regionaler Differenzen zu verstehen, nicht nur als eine verteilende 'Ausgleichsbewegung' bei einem bestehenden 'Kulturgefälle' zwischen 'überlegenen' (oder als überlegen betrachteten) und 'unterlegenen' (oder sich als unterlegen wahrnehmenden) Regionalkulturen. Denn der Transfer kann auch die Ursache neuer 'Kulturgefälle' und dadurch Auslöser neuer Transferbewegungen sein. So kann es zur Umkehrung des Verhältnisses zwischen gebender und nehmender Region kommen sowie zur Umkehrung der Richtungen und zur Verlagerung der Routen des Transfers, etwa wenn dieser in seiner Zielregion Innovationen (als produktive Rezeption des Transferierten) zur Folge hat, die auch für die Ausgangsregion attraktiv sind. Beispiele dafür sind die Entstehung neuer Formen liturgischer Musik und Poesie im Frankenreich aus einer produktiven Auseinandersetzung mit dem Gregorianischen Gesang, den man als römisches Transfergut wahrgenommen hat, aber auch die systematische Verschriftlichung des Gregorianischen Gesangs im Frankenreich; diese ist interpretierbar als Maßnahme zur (pragmatisch motivierten) Stabilisierung und Kontrolle eines erzielten Transferergebnisses, aber auch als Maßnahme zur (ideologisch motivierten) visuellen Manifestation eines beanspruchten, offenbar prestigeträchtigen, Transfererfolgs. Beide Innovationen wurden alsbald Gegenstand eines Transfers in umgekehrter Richtung.
Die mittelalterlichen Bemühungen um den interregionalen Transfer von Musik beschränkten sich indessen nicht auf deren räumliche Bewegung zwischen den Regionen, sondern führten vielfach zu einer Transformation der Musik. So wurde Musik in den - transferbedingten oder transferbegleitenden - Prozessen der Rationalisierung, Vermittlung und Aneignung ständig umgedeutet, auch mißverstanden, und verändert.
Untersucht wurde innerhalb dieses primär auf musikgeschichtliche, zugleich aber auf literaturgeschichtliche und kirchengeschichtliche Befunde bezogenen Arbeitsbereiches der Transfer von Musikbeständen, Musikdiplomen, Musikpraktiken und Musikauffassungen sowie von Medien und Modi der Musiktradierung zwischen den Gegenden Europas, in denen Latein die Sprache des musikbezogenen Schrifttums war, und in denen Rom als die verbindliche Kultinstanz und Roms liturgische Musikpraxis als ideales Vorbild galten. Dabei waren nicht nur konkrete Transfervorgänge ihrem räumlichen und zeitlichen Verlauf nach zu rekonstruieren oder konkrete Überlieferungsbefunde mit Hilfe von Transferszenarien zu erklären, sondern auch die spezifischen Voraussetzungen, Motive, Resultate und Konsequenzen des jeweils untersuchten Transfergeschehens.
Wichtig war in diesem Zusammenhang auch die Frage nach den pragmatischen wie ideologischen Gründen und Begründungen des Transfers und den materiell-technischen wie methodischen Grundlagen der Transferierbarkeit von Musik oder das Ausbleiben von Transfer.
Projektleitung:
Prof. Dr. Andreas Haug, Prof. Dr. Wolfgang Horn

Beteiligte:
Jeremy Llewellyn, Alba Scotti

Beginn: 1.4.1999

Förderer:
Deutsche Forschungsgemeinschaft und Freistaat Bayern

UnivIS ist ein Produkt der Config eG, Buckenhof